Das treibt die Landwirte im Landkreis Biberach an - 31.7.24
Von Gerd Mägerle
Zu Jahresbeginn sind die Landwirte in der Region auf die Straße gegangen, um gegen Missstände in der Agrarpolitik zu demonstrieren. Was hat sich seitdem verändert?
BIBERACH - Landwirt Alexander Keller, stellvertretender Vorsitzender im Bauernverband Biberach-Sigmaringen, hat auf seinem Hof bei Zillishausen gerade alle Hände voll zu tun. Es ist Erntezeit. „Wenn ich bis spätabends auf dem Mähdrescher sitzen kann, den Geruch des frisch gedroschenen Getreides in der Nase, fühle ich mich eigentlich am wohlsten“, sagt er.
Kellers Talhof liegt an diesem sonnigen Tag Ende Juli mitten in einer grünen Idylle. Im großen Stall muhen frisch geborene Kälbchen. Wer dieses Bild sieht, bekommt es schwer zusammen mit den Bildern der wütenden Landwirte, die zu Jahresbeginn protestierten und die Straßen in der Region mit ihren Traktoren blockierten.
Zu Gast auf Kellers Hof ist auch der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger auf seiner Sommertour. Einen Vormittag lang hat er bei Alexander Keller und seiner Frau Katja mitgearbeitet, hat Ohrmarken bei Kälbchen gesetzt und diese mit Milch gefüttert. Er will wissen, wo die Landwirte aktuell der Schuh drückt.
Viel habe sich seit den Protesten zu Jahresbeginn nicht verbessert, sagt Martina Magg-Riedesser, wie Keller stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbands. „Dass keiner protestiert, liegt daran, dass wir in der Erntezeit viel zu tun haben.“ Dass die von der EU geplante vierprozentige Flächenstilllegung nicht komme, sei gut. Ebenso, dass das geplante Pflanzenschutzgesetz auf EU-Ebene keine Mehrheit gefunden habe, sagt Karl Endriß, Vorsitzender des Bauernverbands. Dies sei aber wohl mehr den noch schärferen Protesten der Bauern in Frankreich und Belgien zu verdanken.
„Bei uns in Deutschland hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir viele Versprechen gemacht, aber keines eingelöst“, so Endriß' Meinung. „Man hat uns zwar angehört, aber kaum eine unserer Forderungen umgesetzt. Das ist schon enttäuschend.“ Darauf jetzt aber wieder mit einer riesigen Demonstrationswelle zu reagieren, sei eher nicht möglich, meint Alexander Keller.„ So eine Gruppendynamik wie im letzten Winter bekommen wir nicht jedes Jahr hin.“
Der aktuelle Weg sei vielmehr, mit der Politik ins Gespräch zu kommen und so zu versuchen, die Dinge zu ändern, sagt Endriß. So kam es auch zum Termin mit Thomas Dörflinger, der sich die Probleme der Landwirte geduldig anhört und sich Notizen macht. Einerseits geht es um wirtschaftliche Sorgen der Bauern, andererseits um viel Bürokratie.
Zum Beispiel die tierärztlichen Arzneimittel-Anwendungs- und Abgabebelege. „Alles, was da draufsteht, müssen wir nochmal in ein Formular eintragen“, sagt Keller. „Eine Fleißarbeit, die eigentlich Blödsinn ist.“ Ein weiteres Reizthema ist die Enthornung von Kälbern. Hier sollen die bereits sedierten Kälber zusätzlich mit einem Mittel betäubt werden, das aber nur der Tierarzt spritzen darf. „Das verursacht nicht nur Kosten, wir haben auch gar nicht so viele Tierärzte, wie wir dafür bräuchten“, sagt Keller. Allein in seinem Betrieb kämen bis Jahresende noch rund 130 Kälber zur Welt. „Manchmal habe ich den Eindruck, die Politik kümmert sich nicht um die Realität, sondern die Realität soll sich der Politik anpassen.“
Den Bauern machen auch höhere Lebensmittelstandards zu schaffen. Alexander Keller nennt das Beispiel Erdbeeren. Zum Teil müsse er seine unterpflügen, weil er das Personal zum Pflücken nicht finde. „Wenn ich Personal habe, bin ich aufgrund der Lohnkosten aber nicht mehr konkurrenzfähig zu den Erdbeeren aus Tschechien oder Spanien, die hier billiger zu haben sind.“ Im Übrigen seien die Pflanzenschutzgesetze in Deutschland auch schärfer. „Wir haben innereuropäisch nicht die gleichen Bedingungen, obwohl wir ein Markt sind.“ Das Ende dieser Entwicklung ist für Keller klar: „Irgendwann sind wir komplett vom Import abhängig, weil es sich hier keiner mehr antut.“
Ein weiteres Ärgernis ist für die Bauern die Planungssicherheit, zum Beispiel beim Bau von Ställen. „Die meisten von uns finanzieren das über Kredite. Nach 20 Jahren hat sich der Stall amortisiert“, so Keller. Oft sei es aber inzwischen so, dass neue Richtlinien erlassen werden, nach denen für die Ställe bzw. den Platzbedarf pro Tier neue Maße gelten. „Mein Stall ist aber kein Baukastensystem, das ich alle paar Jahre beliebig verschieben kann“, sagt Keller.
„Diese ständigen Neuregelungen und Regulierungen überrollen uns einfach“, sagt Magg-Riedesser. „Wir brauchen von politischer Seite insgesamt mehr Verlässlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Planungssicherheit“, ergänzt Endriß.
Sorgen machen sich viele Bauern in der Region auch beim Biogas. Viele betreiben Anlagen, für die die EEG-Förderung in nächster Zeit ausläuft. Bieten sie ihren Strom nicht günstig genug an, riskieren sie, dass er nicht mehr abgenommen wird - oder nur zu einem unwirtschaftlichen Preis. „Dabei ist Biogas speicherbar und grundlastfähig“, sagt Endriß. Außerdem stünden viele lokale Wärmenetze womöglich vor dem Aus, wenn die Betreiber der Anlagen aufgeben. Es brauche deshalb weiter einen gesicherten Preis.
Auch die Sorgen der Bauern bezüglich künftiger Flächen für Wind- und Solaranlagen, bei der Moorvernässung und der Biotopvernetzung hat Dörflinger sich notiert. „Ich werde versuchen, die Themen anzusprechen.“ Das Land ist zwar nur zum Teil zuständig, „aber wir sind als CDU in Bund und EU gut vernetzt und ich trage ihre Anliegen weiter", verspricht er den Bauernvertretern zum Abschied.
© Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach vom 31.7.2024