"Wir müssen in vielen Bereichen schneller werden" - 30.8.24
Welches die größten Probleme der Firmen im Wahlkreis Biberach sind, wie er zu der Bluttat in Solingen steht und was er von Plänen zur Verkleinerung des Landtags hält - all das hat der Biberacher CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ erzählt.
Von Gerd Mägerle
BIBERACH - Herr Dörflinger, vorweg ein ganz aktuelles Thema: Nach dem Anschlag in Solingen am Wochenende gibt es viele Forderungen - von schärferem Asylrecht bis hin zu einem geänderten Waffenrecht. Was hat der Anschlag bei Ihnen ausgelöst?
Der Anschlag hat bei mir Trauer, aber auch eine gewisse Wut ausgelöst. Diskussionen über die Länge von Messerklingen halte ich für reine Symbolpolitik. Das lässt sich schon aufgrund der Personalstärke unserer Polizei gar nicht überwachen. Klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Die Bevölkerung muss vor solchen Verbrechen konsequent geschützt werden. Warum ist es nicht gelungen, jemanden abzuschieben, der rechtlich abgeschoben werden konnte? Die üblichen Ankündigungen, dass der Staat mit aller Härte durchgreifen werde, sind unglaubwürdig, wenn die nötigen Konsequenzen ausbleiben.
Was konkret schlagen Sie vor?
Für viele dieser Straftaten gibt es Hinweise und Signale in sozialen Netzwerken. Das Thema Datenschutz wird mir in diesem Zusammenhang viel zu hoch gehängt. Unsere Polizei braucht viel mehr Möglichkeiten, um Gefährdungen frühzeitig zu erkennen. Es ist doch ein Armutszeugnis, dass uns beispielsweise immer wieder US-Nachrichtendienste auf Anschlagspläne hinweisen. Warum kriegen wir das nicht hin? Auch in puncto Asylrecht gibt es eine klare Vorgehensweise: Für die Prüfung eines Asylantrags ist der erste Mitgliedsstaat zuständig, über den die EU betreten wurde. Im konkreten Fall war das wohl Bulgarien. Das wurde sträflicher Weise nicht umgesetzt. Am Ende kam es nun zu diesen schrecklichen Morden.
Zurück in Ihren Wahlkreis Biberach: Sie haben bei Ihrer Sommertour in den vergangenen Wochen diverse Betriebe und Institutionen besucht. Gab es Themen oder Probleme, die Ihnen dort immer wieder begegnet sind?
Neben branchenspezifischen Themen waren es überall zwei Punkte, die kritisiert wurden: zu viel Bürokratie und Vorgaben. Außerdem sind wir in vielen Dingen zu langsam in der Umsetzung. Das zeigt sich beispielsweise aktuell in der zu geringen Umsetzungsgeschwindigkeit beim Hochwasserschutz. Das will ich im Herbst mit Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann hier im Wahlkreis besprechen. Die Menschen fragen sich nämlich am Ende, ob der Staat überhaupt noch handlungsfähig ist. Ich bin der Überzeugung: Ja. Aber wir müssen besser und in vielen Bereichen schneller werden, indem wir auch die Bürokratie zurückfahren: von der EU bis hinunter auf die kommunale Ebene.
In welchen Bereichen kämpfen Sie ganz konkret gegen zu viel Bürokratie?
Ich trage das, was ich bei meiner Sommertour erfahren habe, ganz konkret in die Landtagsarbeit hinein. In meiner Tätigkeit als verkehrspolitischer Sprecher der CDU ist es gelungen, den Entwurf zum Landesmobilitätsgesetz erheblich zu verschlanken - von 56 auf 23 Seiten. Übrigens auch, weil unnötige Berichtspflichten gestrichen wurden. Bürokratie fesselt uns jedoch nach wie vor in vielen Bereichen im Landkreis. Wir haben hier enormes Potenzial, gerade im wirtschaftlichen Bereich, das es zu entfesseln gilt. Mir kommt der Vergleich mit Gulliver in den Sinn, der - von den Liliputanern gefesselt - am Strand liegt. Es ist nicht die eine kleine Schnur, die ihn festhält, sondern die Summe der vielen kleinen Schnüre. Und das erleben viele Betriebe. Zahlreiche Regelungen, die einst sinnvoll waren, sind heute überholt. Wir müssen den Mut aufbringen, sie zu streichen und keine neuen Belastungen hinzuzufügen. Beispiele aus Bund und Land zeigen, dass Bürokratieabbau und Verfahrensbeschleunigung möglich sind – dies muss jedoch konsequenter weitergeführt werden. Für mich ist klar: Traut den Bürgern mehr zu, dass sie es richtig machen, ohne überall hineinzuregulieren.
Am Sonntag sind Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Mit welchen Gedanken blicken Sie darauf?
Ich schaue dem Sonntag mit Sorge entgegen, denn es geht um stabile Mehrheiten. Es besteht die Gefahr, dass die AfD, die in beiden Bundesländern als gesichert rechtsextrem gilt, stärkste Kraft wird. Die CDU kämpft um Platz eins, besonders in Thüringen wird das aber schwer. Gleichzeitig dümpeln die Ampelparteien um die Fünf-Prozent-Hürde, und die Protestpartei BSW gewinnt an Zulauf, obwohl unklar ist, was von ihr zu erwarten ist. Bei all dem ärgert mich, dass erst durch eine falsche Politik die hohen Zustimmungswerte für AfD und BSW möglich werden. Wenn die Bundesregierung beim Thema Migration die Probleme nicht endlich angeht, dann wandern die Wähler zu Parteien, die mit einfachen Botschaften vermeintliche Lösungen versprechen.
Im Frühjahr 2026 sind auch in Baden-Württemberg Landtagswahlen. Was leiten Sie aus den derzeitigen Umfragewerten ab?
Die sehr guten Umfragewerte für die CDU sind erfreulich und zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dazu hat zweifellos auch unser Vorsitzender Manuel Hagel beigetragen. Dessen Wechsel an die Spitze der Partei verlief harmonisch. Das hat in der Vergangenheit nicht immer so gut geklappt. Die Umfragewerte der AfD sind für mich wie ein Fieberthermometer der Gesellschaft. Nur mit dem Finger auf die AfD zu zeigen ist der falsche Ansatz und bewirkt nichts. Auch hier gilt: Wir müssen die Probleme lösen und uns inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen. Wichtig ist für mich in Baden-Württemberg auch, dass wir in der Regierung keinen öffentlichen Streit vom Zaun brechen. Da ist die Ampel im Bund ein warnendes Beispiel.
Aktuell läuft eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Verkleinerung des Landtags. Wie stehen Sie dazu?
Die Regelgröße unseres Landtags beträgt 120 Sitze. Damit sind wir im Pro-Kopf-Vergleich bereits das zweitkleinste Parlament aller Bundesländer. Das Volksbegehren will die Zahl von 120 auf 68 Sitze reduzieren. Zum Vergleich: Der Biberacher Kreistag hat 62 Sitze. Sie sehen, ich halte von dieser Initiative nicht viel. Größere Wahlkreise bedeuten einen Verlust an Nähe zum Abgeordneten. Für meinen Terminkalender würde sich nichts ändern. Er ist jetzt proppenvoll und er wäre auch in einem größeren Wahlkreis proppenvoll. Aber ich wäre viel länger auf der Straße unterwegs. Da geht Nähe verloren, die für meine Arbeit sehr wichtig ist und die ich unbedingt so beibehalten möchte – von der kleinsten Gemeinde Moosburg bis hin zur großen Kreisstadt Biberach.
>
© Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach vom 30.8.2024