Erlenmoos feiert Rathaus und Ortsmitte - 17.10.23
Die Sanierung des Gasthauses Ochsen und das neue Herz der Gemeinde ernten viel Lob
Von Karen Annemaier
Erlenmoos - Ein rekordverdächtiges Festwochenende hat Erlenmoos von Freitag bis Sonntag gefeiert. Und die wohl bedeutendste Investition in der Geschichte der Gemeinde, und eine neue Dorfmitte, und ein Leuchtturmprojekt für Nachhaltigkeit und Denkmalschutz. Der 500 Jahre alte Gasthof Ochsen ist nun offiziell und in aller Form Rathaus, Treffpunkt und Herz von Erlenmoos.
Gefeiert wurde am Sonntag mit ökumenischem Gottesdienst, Festzug vom Gemeindesaal zur neuen Ortsmitte, Segnung, Tag der offenen Tür und Straßenfest. Auch am Samstag waren die Bürger eingeladen, das neue Rathaus mit Bürgersaal und Bäckerei Ruf auf Herz und Nieren zu inspizieren. Für Kinder gab es Karussell und Malwettbewerb, für die Großen viele Bilder von der Verwandlung des Ochsen sowie das ein oder andere Bier - geliefert samt Durstlöschzug von der, wie kann es anders sein, Gold Ochsen Brauerei aus Ulm. Das durchwachsene Wetter brachte die Erlenmooser nicht aus dem Konzept. „Eins ist sicher: Diesen Festumzug werden wir nie vergessen. Im Sonnenschein laufen kann schließlich jeder“, bekannte Bürgermeister Marcus Schmid am Sonntag. Er schätzt, dass etwa 2000 Menschen mitgefeiert haben.
Bereits für den Freitagabend hatte die Gemeinde zum Festakt geladen. Das Interesse war so groß, dass man im Gemeindesaal und nicht im neuen Rathaus zusammenkam. Hier gab Bürgermeister Schmid einen Überblick über die Geschichte des Ochsen und den Weg zur neuen Ortsmitte.
Das 1624 erbaute und 1755 erweiterte Gebäude erwarb die Gemeinde 1987. Gastronomisch genutzt wurde es bis 2014, dann stand es leer. Die frühere Bürgermeisterin Alexandra Scherer und der Gemeinderat entwickelten in einer Klausurtagung 2017 die Vision, aus dem prägenden aber verfallenden Bau an der B 312 eine Dorfmitte zu formen. Das Realisierungskonzept der Fachfirma Jako aus dem nahen Emishalden folgte. 2021 war symbolischer Spatenstich. Marcus Schmid würdigte beim Festakt neben Scherer auch die Arbeit des inzwischen aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Schultes Stefan Echteler und der stellvertretenden Bürgermeisterin Christina Ehrhart, die die Vakanz überbrückte.
Mit nur vierwöchiger Verzögerung wurde das Rathaus nach zwei Jahren Bauzeit Anfang September bezogen. Der Kostenrahmen ist von den anvisierten 4,4 auf 4,8 Millionen Euro gestiegen, dafür gebe es aber Mehrwert etwa im technischen Bereich und in der Außenanlage, erläuterte Schmid. „Es handelt sich hier um das wohl bedeutendste Bauvorhaben der Gemeinde überhaupt“, findet er.
Möglich wurde es durch 1,7 Millionen Euro Fördergelder. Das entspreche einer Quote von 39 Prozent. „Mit den heutigen Rahmenbedingungen wäre das Projekt nicht mehr finanzierbar“, ist Schmid überzeugt.
„Der Ochsen prägt das Ortsbild wie kein anderes Gebäude, 15.000 Fahrzeuge kommen daran täglich vorbei und viele Bürger, vor allem die Älteren, verbinden viel mit dem Gebäude - Familienfeste, Tanzabende oder einfach Wirtshausbesuche.“ Nun gebe es im Ochsen neben Verwaltung und Bäckerei auch den Bürgersaal. Er wird als Trauzimmer, Gastraum, aber auch für Feiern an privat vermietet. „Letztlich übergeben wir den Raum nun wieder seiner ursprünglichen Bestimmung.“ Wie viele Jahrzehnte wird er wieder das Herz des Hauses.
„Die Denkmalpflege hat ein schönes neues Vorzeigeprojekt“, freute sich Dr. Christian Schneider, Ministerialdirektor im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen. „Die Rettung und Umnutzung soll anderen Gemeinden zur Nachahmung dienen.“ Es sei einzigartig, wie Firmen, Kommune und Landkreis hier zusammengearbeitet hätten. Zwar brauche es einen langen Atem, räumte er ein, „umgekehrt sieht man, was man machen kann ,wenn man denkmalgeschützte Gebäude hat - das muss Zukunft sein“. Er mahnte aber auch den Gesetzgeber: „Wenn es um Denkmal- versus Klimaschutz geht, dürfen wir die Standards nicht zu hoch setzen, sonst bleiben die Bauten unsaniert stehen.“
Landrat Mario Glaser nannte die neue Ortsmitte ein „architektonisches Juwel“. Ein Ort der Gesellschaft und der Demokratie und es sei wichtig, dass er so präsent mitten im Ort zu sehen ist. Erlenmoos habe sehr viel Mut bewiesen und dieser werde nun belohnt. Wenn es jetzt noch gelänge, die B 312 um die Gemeinde herumzuleiten, werde die Gemeinde noch mehr profitieren - „wir sind dran,wir sind jung, vielleicht erleben wir es ja noch im Amt“, sagt Glaser mit einem Lachen.
Thomas Dörflinger, CDU-Landtagsabgeordneter, bemühte schließlich heiter Bilder von Ochsen, die es nicht für einen Heller gibt, Ochsen vor Bergen und Ochsentouren. Er zählte die rekordverdächtigen drei beteiligten Bürgermeister und drei Festtage auf und wünschte der Gemeinde, dass das Gebäude ein Ort der Begegnung und des Lächelns werde. „Wo Kaffee fließt, da fließen gute Ideen“, erinnerte Dörflinger die Familie Ruf an ihre Verantwortung.
„Ich bedanke mich für dieses Meisterwerk“, damit hatte sich Bürgermeister Marcus Schmid eingangs an Bernd Jäger, den Geschäftsführer von Jako gewandt. Jäger selbst gab den Dank an seine Fachleute und Planer weiter. Dem Bürgermeister überreichte er einen Entspannungsstuhl. Ein einfacher Hocker aus Metall, Schrauben und einer Sitzfläche aus Holz. Die Eichenplatte stammt von einem Baum aus Ochsenhauser Wäldern. Herangewachsen in einer Zeit, als Christoph Kolumbus noch nicht geboren war, etwa 1450. Nach drei Jahrhunderten geschlagen und im Anbau des Ochsen 1755 als Mauerlatte verbaut. Jako hat sie während der Sanierung entnommen, beschädigte Stellen entfernt und aus den Resten den Stuhl gezimmert. „Das ist wirklich nachhaltig.“ Der Mensch meine immer, er müsse die Welt neu erfinden, Dinge neu machen, „wir sollten auf die Welt mit anderen Augen schauen“, beschwor Jäger die Zuhörer. „Wenn wir demütiger werden, dann verändern wir die Welt und dann ist mir nicht bange um unser Land, Erlenmoos und den Ochsen.“
Der Abend klang aus mit Gesprächen, einem Imbiss und Getränken. Die Verwaltungsmannschaft umsorgte die Gäste, so wie die Erlenmooser Vereine die folgenden zwei Festtage durch ihr Engagement ermöglichten.
Viele weitere Bilder vom Festwochenende gibt es unter www.schwaebische.de