Interview: „Noch nie mit so viel Wut und Hass konfrontiert worden“ - 3.8.23

CDU-Landtagsabgeordneter Thomas Dörflinger spricht im Interview auch über die Sorgen der Bürger, die zu ihm kommen

Thomas Dörflinger, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Biberach, spricht im Interview über seine politische Arbeit für die Region und auch über den Umgang mit der AfD. (Foto: Gerd Mägerle)

Von Gerd Mägerle
Biberach


Über seine Arbeit für den Wahlkreis Biberach, die Wichtigkeit von Social-Media-Kanälen für Politiker und die Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz zum Umgang mit der AfD - darüber und über weitere Themen hat die SZ mit dem Biberacher CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Dörflinger in der politischen Sommerpause gesprochen.

Herr Dörflinger, wenn Sie auf die Zeit seit vergangenem Sommer zurückblicken: In welchen Bereichen waren Sie für den Wahlkreis Biberach als Landtagsabgeordneter erfolgreich?

Für mich sind es vor allem drei Bereiche: Viele Bürgerinnen und Bürger kamen mit persönlichen Problemen in meine Sprechstunden, die zwar nicht immer die Landespolitik betrafen, bei denen ich aber im Kleinen einiges bewirken oder als Vermittler auftreten konnte. Der zweite Bereich sind die vielen Förderprogramme des Landes, bei denen es mir gelungen ist, im Zusammenspiel mit Landkreis und Kommunen viele Zuschüsse in den Wahlkreis zu holen. Und schließlich habe ich mich als verkehrspolitischer Sprecher meiner Fraktion unter anderem über den zweiten Schienengipfel zur Donaubahn in Riedlingen gefreut, den ich organisieren konnte. Gemeinsam wurde erreicht, dass es Regio-S-Bahn-Halte in Riedlingen, Neufra und Ertingen geben wird.

Wo hat der Wahlkreis aktuell Nachholbedarf?

Nachholbedarf gibt es bei vielen Infrastrukturprojekten, deren Umsetzung immer noch zu lange dauert. Das ist bei vielen Straßenprojekten unbefriedigend. Wir brauchen hier eine beschleunigte Planung. Aus der Fraktion heraus wurden hierzu unter meiner Federführung schon Vorschläge gemacht. Nicht zufrieden bin ich nach wie vor mit dem Thema Innenentwicklung, die in manchen Orten, wie zum Beispiel Baustetten, aktuell am Bundesimmissionsschutzgesetz scheitert. Das habe ich schon vergangenen Sommer im Interview angemahnt. Hier ist Berlin offenbar einfach sehr, sehr weit von uns weg. Verbesserungen brauchen wir bei der Entbürokratisierung, auch wenn es um das Ehrenamt und unsere Vereine geht. Diese sind durch viele Vorschriften inzwischen einfach zu stark belastet, beispielsweise wenn es um den Verkauf von Speisen bei Festen oder um Sicherheitsauflagen geht.

Mit welchen Themen kommen die Bürgerinnen und Bürger aktuell zu Ihnen?

Das sind in der Regel viele individuelle Betroffenheiten, bei denen ich versuche, direkt zu helfen oder als Mittler zu agieren. Ich bin allerdings noch nie mit so viel Wut und Hass konfrontiert worden wie bei der Umsetzung des sogenannten Heizungsgesetzes, das von der Bundesregierung durchgepeitscht werden sollte. Vor allem ältere Menschen sind zu mir gekommen, denen wir in den vergangenen Jahrzehnten immer ein Leistungsversprechen gegeben hatten: Arbeite, dann kannst du dir eine eigene Immobilie leisten und du bist fürs Alter abgesichert. Das soll nun plötzlich nicht mehr gelten, und diese Leute sollen viel Geld in die Hand nehmen müssen, um ihre Häuser zu ertüchtigen. Das verstehen viele nicht. Das war absoluter Murks der Ampel. Ich bin nicht bereit, das in irgendeiner Form zu rechtfertigen.

Es fällt auf, dass Sie seit einiger Zeit verstärkt mit Beiträgen aus Ihrem Arbeitsalltag, aber auch aus dem Privatleben bei Facebook und Instagram vertreten sind. Wie wichtig ist für Sie die Kommunikation über soziale Medien - und wo ist für Sie die Grenze?

Meinen Facebook- und meinen Instagramkanal nutze ich sowohl für berufliche als auch private Posts, weil das einen guten Gesamteindruck von mir als Person vermittelt. In den Medien, wie beispielsweise der Tageszeitung, wird ja immer nur ein Bruchteil dessen veröffentlicht, was berichtet werden könnte. Deshalb ist es toll, ein Medium zu haben, in dem ich alles 1:1 wiedergeben kann - und das zudem noch in vielen Bildern. Außerdem erreiche ich damit Menschen, die ich mit der Zeitung oder meiner Homepage nicht erreiche. Natürlich ist es immer eine Gratwanderung, was man von sich preisgibt. Meine Familie geht damit jedoch sehr entspannt um. Selbstverständlich gibt es auch private und persönliche Dinge, die ich nicht posten würde.

Migration ist aktuell ein sehr herausforderndes Thema. Auf ein Schreiben von CDU-Landesjustizministerin Marion Gentges an alle baden-württembergischen Kommunen nach Vorschlägen für Standorte für neue Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge hat sich nur eine Kommune gemeldet. Enttäuscht Sie das auch mit Blick auf Ihren Wahlkreis?

Wenn man die Gesamtsituation betrachtet, bin ich darüber weder enttäuscht noch verwundert. Ich weiß, dass der Landkreis Biberach und seine Kommunen beim Thema Flüchtlinge viel getan haben und auch weiter tun. Ich sehe aber auch die Schwierigkeiten beim Wohnraum. Hierzu gibt es Hilferufe von kommunaler Seite, die wir ernst nehmen müssen. Keine Kommune reißt sich aktuell um eine Aufnahmeeinrichtung. Das birgt Konfliktpotenzial. Deshalb meldet sich auch kaum jemand freiwillig. Sie werden mich nicht dabei erwischen, dass ich den Landkreis oder die Gemeinden in diesen Fragen kritisiere.

Die Migrationsdebatte ist ein Punkt, der der AfD aktuell von einem Umfragehoch zum nächsten verhilft. Nun hat sich der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview in einer Weise geäußert, die zumindest Interpretationsspielraum eröffnet, dass er eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene nicht ausschließt. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe mir das Merz-Interview angesehen und mir die entsprechende Passage durchgelesen. Das Wort „Zusammenarbeit“ kommt darin nicht vor. Was im Nachgang aus der Äußerung gemacht wird, halte ich für scheinheilig. Die Frage ist doch, wie ich damit umgehe, wenn ein AfD-Landrat in Sonneberg eine Hochwasserschutzmaßnahme beschließen oder ein AfD-Bürgermeister in Raguhn-Jeßnitz einen Kindergarten sanieren will. Lehnt man das im Kreistag oder Gemeinderat ab oder nicht? Diese Frage muss sich nicht nur die CDU, sondern müssen sich alle Parteien stellen - und zwar in Ruhe und ohne Schaum vor dem Mund. Wir haben einen Beschluss des CDU-Bundesparteitags - es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD - und der gilt. Das hat auch Friedrich Merz klargestellt. Aber man muss sich in Orten mit AfD-Mandatsträgern die Frage stellen: Wie gehen wir damit um? Legen die Gemeinderäte eine Stadt lahm und blockieren alles oder stimmen sie einer Kindergartensanierung zu, auch wenn diese vom AfD-Bürgermeister vorgeschlagen wird? Es geht doch um die Bevölkerung vor Ort. Was da an Debatte vom Zaun gebrochen wurde, wird weder der Sache noch Friedrich Merz gerecht.

Was müssen die Politik und speziell Sie als Landespolitiker tun, um der AfD nicht noch mehr Aufwind zu verschaffen?

Diese Partei einfach verbieten zu wollen, ist keine Lösung. Auch keine Lösung ist es, wenn wir die Themen ausklammern oder verharmlosen, welche die Menschen am meisten aufregen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen die Probleme benennen und dann aber auch lösen. Es ist auch falsch, diejenigen zu beschimpfen, die im Moment sagen, dass sie sich vorstellen könnten, die AfD zu wählen. Das Umfragehoch der AfD hängt damit zusammen, dass die Menschen derzeit in vielen Lebensbereichen unzufrieden und verunsichert sind. Ich habe kein Verständnis, wenn mit erhobenem moralischen Zeigefinger auf andere gezeigt wird: Niemand ist ein schlechter Mensch, nur weil er nicht gendert, Fleisch isst, in den Urlaub fliegt oder seine Kinder Cowboy und Indianer spielen lässt. Ich persönlich bin viel im Wahlkreis unterwegs, höre zu, beziehe Stellung und versuche, nichts zu beschönigen. Mein Eindruck ist, dass dies wahrgenommen und auch honoriert wird. Daher arbeite ich weiter daran, dass die Menschen mir und der CDU ihr Vertrauen schenken - und nicht der AfD oder einer anderen Partei.

Copyright Schwäbische Zeitung, Ausgabe Biberach vom 3.8.2023

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