Milliarden-Hilfen aus Berlin machen der Region Mut - 5.6.20

Verschiedene Akteure loben das CoronaKonjunkturprogramm – Wie sie zur Senkung der Mehrwertsteuer stehen

Insgesamt umfasst das Konjunkturpaket 130 Milliarden Euro, die in unterschiedliche Bereiche fließen. Ziel des Ganzen ist, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

Daniel Häfele und Gerd Mägerle - Biberach/Region

„Mit einem Wumms aus der Corona-Krise“ – so hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am späten Mittwochabend das 130-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket charakterisiert, das Bürger, Unternehmen und Kommunen gleichermaßen helfen soll. Die „Schwäbische Zeitung“ hat mit mehreren Akteuren aus der Region darüber gesprochen, wie sie das Paket bewerten.


Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Biberach, Martin Gerster, hat von den Ergebnissen auf dem Rückweg von Berlin erfahren. Weil er mit dem Auto unterwegs war, legte er eine Rast ein, um sich die Details näher anzusehen. Sein Fazit: „Es ist ein hervorragendes Paket. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gut aus der Wirtschaftskrise herauskommen und viele Arbeitsplätze sichern können.“ Das Programm sorge für eine positive Veränderung in sozial-ökologischer Hinsicht.

Digitalisierungsschub, Bonus für Kinder, Entlastung für Alleinerziehende und eine Unterstützung für Kommunen – vor allem in diesen Punkten findet er sich nach eigener Aussage wieder. Im Vorfeld brachten die SPD-Abgeordneten ihre Ideen ein: „Wir hatten eine beeindruckende Beteiligungskultur.“ Das sei in der Vergangenheit nicht immer so gewesen. Positiv überrascht habe ihn die Absenkung der Mehrwertsteuer. Sie sorge für einen wichtigen Kaufanreiz in sämtlichen Bereichen: „Ich bin erleichtert, dass es nicht auf eine Kaufprämie für Autos rausgelaufen ist.“


Einen „gewissen Impuls“ für die Autoindustrie hätte sich dagegen der CDU-Landtagsabgeordnete für den Kreis Biberach, Thomas Dörflinger, vorstellen können. Ihn störe an der Debatte, dass es nur um Autokonzerne und ihre Dividenden geht. „Es gibt auch im Landkreis Biberach viele mittelständische Automobilzulieferer, die Arbeitsplätze bieten“, sagt Dörflinger. Nichtsdestotrotz profitiere auch die Autobranche von dem Paket. „Das Programm ist ein guter Ausgleich zwischen Erhalt und Aufbruch.“ Nun müssten die Beschlüsse zügig in Förderprogramme gegossen werden, damit das Geld bei den Betroffenen schnell ankommt.

Auch gelte es, ähnlich gelagerte Programme wie die Überbrückungshilfen von Bund und Land miteinander zu verzahnen. Froh ist er, dass der Scholz-Vorschlag zur Entschuldung der Kommunen nicht kommt. „Ansonsten wäre kein Geld nach Baden-Württemberg geflossen“, sagt der CDU-Abgeordnete. Durch die jetzigen Hilfen hätten die Kommunen Spielraum, angedachte Investitionen trotz Corona-Krise anzupacken. Sein Parteikollege, der Bundestagsabgeordnete Josef Rief, teilt mit: „Mit dem Konjunkturpaket wollen wir erreichen, dass der Optimismus in Deutschland wieder Platz greift und der Glaube an eine gute Zukunft unterstützt wird.“


Weg von Soforthilfen hin zu einem Konjunkturprogramm – das ist aus Sicht des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer Ulm, Max-Martin Deinhard, ein „guter und richtiger Ansatz“. Gerade die Überbrückungshilfen seien für die schwer gebeutelten Zweige Handel, Gastronomie und Hotellerie immens wichtig, weil viele aus einer Phase ohne Einnahmen kommen: „Eigenkapital und Liquidität müssen gestärkt werden.“ Nun müsse man abwarten, wie die Maßnahmen greifen und wann das Land diese durch ein Programm für die Gastronomie ergänzt.

Die geringere Mehrwertsteuer sollten Betriebe auch an ihre Kunden weitergeben, wobei diese Entscheidung jedem selbst obliegt, erläutert Deinhard. Jedoch kurble dieser Schritt die Binnennachfrage an und ermögliche längerfristig gesehen wieder finanzielle Spielräume. Hoffnung sieht er auch für Export-Branchen: „Mit den Grenzöffnungen läuft das Geschäft wieder an.“ In Anbetracht von Rückmeldungen der Unternehmer sei er guter Dinge, dass es auch hier wieder nach oben geht.


Mit dem Konjunkturprogramm habe die Regierung „ein gutes Ei gelegt“, sagt Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HK) Ulm. Das Handwerk sei froh über die Mehrwertsteuerreduzierung und über die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 Prozent. Erstere wirke konjunkturstimulierend, zweitere arbeitsplatzsichernd. Beides aber nur befristet bis zum Jahresende zu machen, werde aus seiner Sicht nicht ausreichen, so Mehlich.

„Grundsätzlich ist gut, dass der Bund verstanden hat, dass die Rezession viele Betriebe erst ab Sommer richtig treffen wird und nun die Konjunktur stimuliert“, sagt Mehlich. Unter diesem Gesichtspunkt könne auch die Unterstützung der Kommunen, die im Paket geplant ist, zu weiteren Aufträgen für das Handwerk führen. Positiv wertet er auch, dass auf Maßnahmen wie eine „altmodische Abwrackprämie“ verzichtet wird: „Man sieht hier die Handschrift der Regierung, die das Klimapaket 2030 fortschreibt.“

Besonders gefreut hat sich Mehlich über die Azubiprämie, die Firmen erhalten, wenn sie die Zahl ihrer Auszubildenden trotz Corona nicht verringern. Das fordere die HK Ulm bereits seit Wochen. „Wir werden in einigen Monaten wieder das Thema Fachkräftebedarf haben, deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass die Krise hier eine Schneise schlägt“, so Mehlich.


Götz Maier, Geschäftsführer der Bezirksgruppe Ulm von Südwestmetall, sieht in dem Konjunkturpaket ein „starkes Zeichen für politische Handlungsfähigkeit“. Die Mischung aus kurz- und langfristigen Maßnahmen sei ausgewogen, um Impulse zu setzen. „Von der Mehrwertsteuersenkung werden auch die Firmen in der Metallindustrie profitieren“, sagt er, auch wenn er weiß, dass die großen Automobilfirmen im Stuttgarter Raum lieber eine Autokaufprämie gesehen hätten. Auch dass Unternehmen nun sogenannte Verlustvorträge geltend machen können, sei eine Forderung von Südwestmetall gewesen. „Gut ist auch, dass das Paket Zukunftstechnologien explizit fördert“, so Maier.

Von einem „Füllhorn“ an Maßnahmen spricht der Modehändler und stellvertretende Vorsitzende der Werbegemeinschaft Biberach, Friedrich Kolesch. Aus seiner Sicht hätte sich die Politik mehr darauf konzentrieren sollen, existenzgefährdete Unternehmen und deren Mitarbeiter durch die Krise zu bringen – und das möglichst schnell: „Das Paket ist ein großes Bemühen der Politik, es allen recht zu machen.“

Nachschärfen müsse man bei den Überbrückungshilfen, damit schwer getroffene Branchen nicht durchs Raster fallen. Die Senkung der Mehrwertsteuer sei für ihn „überraschend“ gekommen. Ob das einen Kaufboom auslöst? Kolesch glaubt nein, weil die Ersparnis bei kleinen Summen gering sei. Erst bei größeren Anschaffungen mache sich diese auf dem Kassenbon bemerkbar, so Kolesch. Nicht zu unterschätzen sei indes der technische und bürokratische Aufwand, den die zeitweisen Steueränderungen mit sich bringen.


Inwiefern das Paket sozial Schwächeren hilft, kann Peter Grundler jetzt noch nicht abschätzen. Der Leiter der Caritas Biberach-Saulgau und seine Kollegen beobachten seit Jahren, dass die Mittelschicht an den Rändern immer weiter bröckelt. Daran habe auch das Konjunkturprogramm in der Finanzkrise nichts geändert – im Gegenteil. „Die Unzufriedenheit mancher rührt aus dieser Zeit“, sagt Grundler. Der nun geplante Kinder-Bonus in Höhe von 300 Euro sei eher als symbolischer Betrag einzustufen: „Wenn man aufsummiert, welche Kosten für Familien entstehen, ist diese Summe gering.“

Die Senkung der Mehrwertsteuer könnte Geringverdiener entlasten, vorausgesetzt, dies spiegle sich auch in den Preisen an der Kasse wider. Er hätte sich gewünscht, dass in dem Paket auch der soziale Bereich vorkommt. Viel Zuspruch hätten sie in den vergangenen Wochen erfahren, gleichzeitig mussten sie aber Angebote zurückfahren oder Geld für Schutzmaßnahmen in die Hand nehmen. Unterm Strich betrachtet, so Grundler, sei das Paket aber wichtig, um für Optimismus zu sorgen.

Copyright Schwäbische Zeitung - Ausgabe Biberach vom 5. Juni 2020

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