Landwirte beklagen praxisferne Gesetze - 6.8.20
Landtagsabgeordneter Thomas Dörflinger besucht Bad Buchauer Grünlandbetrieb
Von Karl-Heinz Kleinau
Bad Buchau - Im Rahmen seiner Wahlkreis-Sommertour besuchte der Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger (CDU) in Bad Buchau den Vieh- und Grünlandbetrieb Grimm und traf sich zum Austausch mit dem Vorstand der Kreisbauernschaft.
Bereits um 7 Uhr morgens startete Dörflinger sein Praktikum in der Landwirtschaft am Federsee mit melken, misten und mähen. Ihm sei wichtig, einerseits die Arbeit, aber andererseits auch die Menschen kennenzulernen. Im direkten Gespräch während der Arbeit mit Jürgen Grimm ließen sich in Ruhe die Themen ansprechen, die den Landwirten auf den Nägeln brennen. Nach dreieinhalb Stunden im Stall und im Moor mit zwillingsbereiftem Traktor traf Dörflinger dann die komplette Vorstandschaft des Kreisbauernverbandes Biberach-Sigmaringen.
Dessen Obmann Gerhard Glaser freute sich, dass jeden Sommer die Politiker im Wahlkreis unterwegs seien, leider sei zum Thema Landwirtschaft „der Andrang der anderen Parteien gleich Null“. Es sei für ihn und seine Mitglieder deprimierend, dass alle Landwirte immer über einen Kamm geschert würden, obwohl in der Raumschaft kleine bis mittlere Familienbetriebe eine verantwortungsvolle Bewirtschaftung der Flächen vornehmen würden. Gerade mit Blick auf die Initiative „Rettet die Bienen“ und dem daraus entwickelten Gesetzespapier sah Glaser viel guten Willen bei allen Interessensgruppen und keine verhärteten Fronten wie im Nachbarland Bayern. „Naturschutz lohnt sich für alle“, bekräftigte Glaser, allerdings würden die immer strengeren Vorschriften und unverständliche Dokumentationspflichten auch viel Gutes zerstören und eröffnete die Diskussion, in deren Verlauf die Vorstandsmitglieder die Gelegenheit nutzen, um ihre Anliegen und Sichtweisen dem Abgeordneten mit auf den Weg zu geben.
Hubert Hopp als stellvertretender Obmann sprach zwei Themenbereiche an, die den Austausch bestimmen sollten. Zum einen die Bürokratie, die immer mehr Dokumentation vorsehe und damit kleine Familienbetriebe viel stärker belasten würde als Großbetriebe. So sei es gerade für die nächste Generation immer weniger attraktiv, die bäuerlichen Familienbetriebe zu übernehmen. Als noch dringender wollte Hopp aber die Gülleverordnung anbringen: Gewässerschutz sei unzweifelhaft, aber speziell das Verbot der Ausbringung auf „gefrorenen Böden“ mache eine sinnvolle Düngung unmöglich. Er erklärte, dass hier die Erweiterung weg von bislang „tiefgefrorenen Böden“ zu untragbaren Investitionen in neue Güllebehälter führen würde und eine Ausbringung erst spät möglich wäre. Thomas Dörflinger stellte sich der Kritik und gab zu, dass auch bei Gebieten mit starker Einschränkung der Gülleausbringung (rote Zonen) „manche Fälle nicht nachvollziehbar seien“. Er berichtete von dem Plan, eine Clearingstelle im Landwirtschaftsministerium einzurichten, wo solche Streitpunkte zeitnah geklärt werden sollten.
Karl Endriß betonte hier den Zeitdruck bis zum Inkrafttreten in 2021 mit eindrücklichen Worten und erklärte nochmals, dass gerade auf angefrorenen Böden, die Gülle bodenschonend (schwere Maschinen) und sinnvoll (bessere Aufnahme nach dem morgendlichen Auftauen) ausgebracht werden könne. Ansonsten verliere der Landwirt zwei bis vier Wochen, bis der Boden ausbringfähig getrocknet sei. Auch Heinz Scheffold aus Alleshausen beklagte, dass oftmals Politik nicht die Praxis im Blick hätte. Kreisgeschäftsführer Niklas Kreeb fand es sogar „unverständlich“, dass hier fachliche Praxis und der aktuelle Forschungsstand nicht in die Verordnung eingeflossen sei.
Endriß brachte einen weiteren Kritikpunkt ein, als er fragte, warum es in der EU zweierlei Maß an Tierschutz gebe. Niemand wolle einen Kastenstand für Schweine, aber dann sollten die strengeren Vorschriften in Deutschland auch für Importe gelten. Auch Scheffold rügte diese Ungleichheit, die er am Beispiel spanischer Tomaten, die mit sklavenähnlicher Arbeit, Gifteinsatz und keinerlei Naturschutzgedanken produziert würden, mit den Worten beschrieb: „Das ist unser Wettbewerb“. Der Meßkircher Hopp unterstrich dies mit einem Gutschriftsbeleg über zwölf Euro für zwei gesunde Kälbchen, was fern jeder Wertschätzung für Lebewesen und auch für die Landwirte absolut unauskömmlich sei. Konfrontiert mit diesen Aussagen argumentierte der Landtagsabgeordnete Dörflinger, dass er spüre, dass gerade die Vorgänge bei Tönnies zu einem Umdenken in der Politik führen würden. Lokales würde wieder als wichtiger wahrgenommen, dennoch müsse die Vorschriften der Hygiene in jedem Betrieb gelten. Wolle man kleine Betriebe stärken und so auch die Abhängigkeit von Großbetrieben verkleinern, könne das nur über gezielte Förderungen gehen.
Doris Härle als Vorsitzende der Landfrauen brachte im Anschluss plakativ die Gefühle der Bauernfamilien, die nichts mit den anonymen Großbetrieben zu tun hätten, zur Sprache: „Keiner wird so an den Pranger gestellt wie die Landwirtschaft“. Sie forderte Solidarität von anderen Branchen ein, schließlich schaffe die Landwirtschaft viel Nachfrage und erhalte Arbeitsplätze, so gerade im Bereich Maschinenbau, Dienstleistungen und im Baugewerbe. Ein weiterer Kritikpunkt von Härle an die Politik war die Kennzeichnung von Waren, wo für den Verbraucher nicht ersichtlich sei, ob ein Produkt regional sei oder nicht.