Gerhard Glaser: "Geschenkt wird uns Bauern aber auch nichts" - 5.2.20

Landwirte im Kreis Biberach und Sigmaringen haben genug von Pauschalvorwürfen

Deutliche Worte sind am Freitag bei der Jahreshauptversammlung des Kreisbauernverbands Biberach/Sigmaringen im Bad Buchauer Kurzentrum gefallen. Denn 2019 sei für die Landwirte ein hartes Jahr voller Anfeindungen und Vorwürfe gewesen. Dies betonte der Kreisvorsitzende Gerhard Glaser ebenso wie der Hauptredner Walter Heidl. Er ist Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands und referierte über die „bäuerliche Landwirtschaft zwischen Gesellschaft, Politik und Markt“.

VON KRISTINA SCHMIDL

KREIS BIBERACH/SIGMA- RINGEN - „Geschenkt wird uns Bauern aber auch gar nichts“, stellte Gerhard Glaser, Kreisbauernchef für Sigmaringen und Biberach klar. Das vergangene Jahr sei geprägt gewesen von Mahnwachen und Protestaktionen, mit denen die Landwirte auf ihre Sorgen und Nöte aufmerksam gemacht hätten. Der Klimawandel treffe niemanden so hart wie die Landwirte. Im Gegensatz zur Autoindustrie oder zum Tourismus habe die Landwirtschaft ihre Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz gemacht. Sie sei die einzige Branche, die mehr Rohstoffe hinterlässt als verbraucht, sagte Glaser. Seit dem Kyoto-Protokoll habe die Landwirtschaft ihren Klimagasanteil beispielsweise schon um 30 Prozent gesenkt.

Im Landkreis Biberach beteiligen sich laut Glaser 693 Landwirte am Umwelt- und Ökoprogramm Baden-Württemberg, hinsichtlich der Landschaftspflegerichtlinie seien 191 Verträge geschlossen worden. Außerdem seien 50 Kilometer Blühstreifen ausgesät worden. Für Sigmaringen gelte Ähnliches.

Dennoch werde von den Landwirten oft gefordert, endlich anzufangen mit Tier-, Umwelt- und Artenschutz. Immer noch werde die Agrarwende eingefordert, „weil offenbar nicht ankommt, dass wir mittendrin sind“, sagte Glaser. Ihn machen solche Vorwürfe, die groß in Mode seien, der Landwirtschaft aber in keinster Weise gerecht würden, „fassungslos“. Er plädierte dafür, dass es sich lohne, in schweren Zeiten zusammenzustehen. „Das Wir- Gefühl unter den Bauern ist auf richtig gutem Niveau.“

Biberachs Landrat Dr. Heiko Schmid thematisierte die Absicht seines Landkreises, gemeinsam mit den Bauern eine Strategie zur Förderung der Biodiversität voranzubringen. Er riet den Landwirten, ihre Betriebe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit die Verbraucher sehen, dass dort tierwohlgerecht, nachhaltig und regional produziert wird.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger plädierte dafür, nicht über die Landwirte zu reden, sondern mit ihnen, um zu wissen, wo der Schuh drückt. Ferner stellte er klar: „Wenn jemand gegen das Volksbegehren ,Rettet die Bienen’ ist, heißt das nicht, dass er gegen Insektenschutz ist“. Dieser Eindruck, und das Bild von der Landwirtschaft als einziger Verursacher des Insektensterbens sei falsch. Klimaschutz sei ein komplexes Thema. Wäre das Volksbegehren in Kraft getreten, hätte dies das Aus für die Hälfte der Bauern bedeutet. Die Landwirte würden zu Unrecht in eine Ecke gedrängt. Ein Denken in Schwarz und Weiß sei jedoch zu einfach und daher falsch.

Der Europa-Abgeordnete Norbert Lins betonte, die Landwirtschaft sei hinsichtlich Klima- und Artenschutz „nicht Teil des Problems, sondern der Lösung“. Fakten und Zahlen würden dies belegen. Im Jahr 2020 würden in Brüssel die Weichen für die gemeinsame Agrarpolitik in der EU gestellt: „Es geht um 10 Millionen Betriebe mit 23 Millionen Menschen“

Walter Heidl, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands und Präsident des Bayerischen Bauernverbands, sagte in seinem Referat zum Thema „Bäuerliche Landwirtschaft zwischen Gesellschaft, Politik und Markt“: „Kleine landwirtschaftliche Betriebe wie in Bayern und in Baden-Württemberg sind Strukturen, die von der Öffentlichkeit am ehesten akzeptiert werden“. Viele Verbraucher hätten auch Vertrauen in die heimischen Bauern. Oft würden die Landwirte aber mit Pauschalvorwürfen konfrontiert: „Das bringt mich auf die Palme. Wir brauchen eine sachliche Diskussion. Nur so haben wir eine Chance.“ Schließlich sei klar, dass auch und insbesondere die Landwirte Interesse daran haben, wildtierschonend zu mähen oder Insekten und Gewässer zu schützen. Hinsichtlich der Düngeverordnung zum Grundwasserschutz gab er allerdings zu bedenken: „Die klassische Fördermöglichkeit ist nicht gegeben. Es braucht Mittel und Wege, wie die Umsetzung erfolgen kann.“ Heidl sprach sich gegen Käseglockenschutzprogramme“ aus. Bezüglich der Düngeverordnung wünscht er sich repräsentative Messstellen. Denn: „Wenn das Fundament beim Bau schon nicht trägt, kann das Haus nichts werden.“

Er sehe die Politik in der Verantwortung, wenn sie einerseits Produktionsstandards für die Bauern hochschraube und andererseits Märkte öffne. Die Bauern ermutigte er: „Lassen Sie sich nicht runterziehen. Die breite Bevölkerung schätzt uns.“

Copyright SÜDFINDER Biberach vom 5.2.2020

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