Die Wiederentdeckung der Kartoffel - 4.7.20
Wie veränderte Marktbedingungen den Betrieb Emhart in Neufra treffen
Von Wolfgang Lutz - Neufra
Der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger hat bei einem Kurzbesuch in seinem Wahlkreis Biberach auch Station in Neufra gemacht. Begleitet wurde er dabei von Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch vom Ministerium Ländlicher Raum, Entwicklung und Verbraucherschutz. Ziel war der Betrieb von Karl-Anton Emhart, der seinen Produktionsschwerpunkt im Kartoffelanbau sowie in der Aufzucht von Weihnachtsbäumen hat. Gerade in Zeiten von Corona war es Thomas Dörflinger wichtig, zu erfahren, was den bäuerlichen Unternehmen derzeit besonders auf den Nägeln brennt. Auf dem Hof Emhart konnten sich die Politiker und Gäste ein Bild über die Produktion, Lagerung und vor allem der Vermarktung ihrer Produkte ein Bild machen. Für Ortsvorsteherin Erika Götz eine Freude, die Staatssekretärin willkommen zu heißen, denn sie sei nicht zum ersten Mal zu Gast in Neufra und Thomas Dörflinger habe hier ja sowieso Heimrecht.
In diesem Jahr werden auf dem Hof von Karl-Anton Emhart etwa 13 Hektar Kartoffeln angebaut und in Sonderkulturen auf zehn Hektar Land Weihnachtsbäume gehalten. „Das sind die Schwerpunkte unseres Betriebs“, so Juniorchef Markus Emhart. Die meisten Kartoffeln werden derzeit ab Hof verkauft und das „rund um die Uhr“. Dabei habe sich der Markt verändert, denn in Zeiten der Corona-Pandemie sei der Absatz an die Gastronomie eingebrochen, aber der Markt ab Hof habe zugenommen. Als sehr arbeitsintensiv bezeichnete er die Weihnachtsbaumplantagen, bei denen viel Handarbeit angesagt ist. „Ich bin mal gespannt, wie sich alles im laufenden Jahr entwickeln wird, sowohl bei den Kartoffeln als auch bei den Bäumen“, so Markus Emhart.
Heiko Höllmüller vom Beratungsdienst Kartoffelanbau empfahl den Schwerpunkt auf regionale Vermarktung zu legen. Dies auch deshalb, weil der Betrieb Emhart in der Umgebung auf ein Alleinstellungsmerkmal verweisen könne. Er informierte die Delegation bei einem Rundgang auf dem Betrieb, darunter auch Bürgermeister Markus Schafft aus Riedlingen, dann über die richtige Sortenwahl, Keimung, die Behandlung von Schädlingen und vor allem die Lagerung der Kartoffeln. Dabei spiele bei der Aufzucht auch immer das Wetter eine große Rolle. Dieses Jahr könne man schon absehen, dass sich die Ernte unter dem Durchschnitt bewege. Dazu sei der Pommespreis derzeit am Boden und die Lager seien gefüllt. Daher sei es spannend, wie sich der Markt entwickle, „aber ich bin optimistisch, dass die Gastronomie wieder anläuft“, so Höllmüller.
Waren es in den 1950er-Jahren in Baden-Württemberg noch 250 000 Hektar, auf denen Kartoffeln angebaut werden, sind es heute nur noch 5500, so Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch. Doch dafür werden auf der kleineren Fläche wesentlich mehr Kartoffeln produziert als früher. Gerade in der Zeit von Corona sei die Kartoffel als tolles Lebensmittel „wiederentdeckt“ worden, allerdings fehle momentan der Absatzmarkt. Ihr ist klar, dass der Kunde immer die perfekte Kartoffel wünsche, und das das ganze Jahr über. Ein probates Mittel, hier dem Markt gerecht zu werden, sei die Kühlung, was aber auch mit immensen Kosten verbunden sei. Es werde auch laufend versucht, immer weniger Spritzmittel bei der Aufzucht einzusetzen. „Aber hier läuft was schief“, kritisierte Markus Emhart. Der Einsatz von Mitteln sei EU-weit nicht einheitlich geregelt. Auch machte er auf die Produktion und Deklarierung von Kartoffeln aufmerksam, die aus anderen Ländern bei uns auf den Markt kommen. Hier wäre ein spezielles Gütesiegel vom Land Baden-Württemberg hilfreich, das die Staatssekretärin dem Kartoffelbauern vorschlug.
„Wie können wir Sie konkret unterstützen?“, wollte die Staatssekretärin von Juniorchef Markus Emhart wissen. Dieser macht sich Gedanken, wie er nach der Übernahme den Betrieb zukunftsträchtig aufstellen kann. Er plant dabei den Neubau einer Halle mit Verkaufsstelle. Dies hänge natürlich auch von Zuschüssen ab, die es laut Staatssekretärin nur auf energetische Maßnahmen gebe. Bei solch einer Investition müsse er auch wahrscheinlich seinen Betrieb 40 Jahre führen, so Markus Emhart. Ob das so lange geht, könne er nicht sagen.
„Kartoffeln werden immer gegessen“, so Staatssekretärin Gurr-Hirsch zuversichtlich, „da kannst du die Spätzle glatt vergessen“. Auch die in der EU unterschiedlichen eingesetzten Spritzmittel sowie die nicht immer klar deklarierten Kartoffelimporte legte Markus Emhart der Politikerin ans Herz.
Ein weiteres Anliegen betraf die Weihnachtsbaumpflanzung. Es sei derzeit fast unmöglich, dafür die Anbaufläche auszudehnen, was er auf einen schier unüberwindbaren Bürokratismus zurückführt. „Das ärgert mich, aber ich kann Ihnen hier keine Hoffnung machen“, so die Staatssekretärin. Dass es zudem auch keine Flächenprämie bei der Weihnachtsbaumpflanzung gibt, haben die beiden Landwirte ihr ebenfalls als Hausaufgabe mit auf den Weg gegeben. Dazu ein Säckchen Kartoffeln, das sie an den Besuch in Neufra erinnern soll. Spätestens dann, wenn diese als Kartoffelsalat auf ihrem Teller liegen.