"Es braucht die Ausgangssperre - je schneller, desto besser" - 21.3.20
Landtagsabgeordneter Thomas Dörflinger plädiert in Sachen Coronavirus nun für einen harten Schnitt
Biberach
Der Landtag hat am Donnerstag Milliardenhilfen für die Wirtschaft beschlossen, um die Folgen des Coronavirus zu mildern. Jetzt gehe es darum, dass das Geld schnell fließe, fordert der Biberacher CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger im Interview mit SZ-Redakteur Gerd Mägerle.
Herr Dörflinger, Sie sind auch handwerkspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion. Wie nehmen Sie die Lage im Handwerk und in der gesamten Wirtschaft wahr?
Die Stimmung ist bei vielen am Boden, selbst bei gestandenen Unternehmern, aber vor allem in kleinen Betrieben, bei Handwerkern und Selbstständigen. Viele haben Existenzängste, es ist desaströs. Das zeigt auch, wie schnell Kapitalrücklagen aufgebraucht sind.
Wie gehen Sie damit um?
Ich habe allein am Donnerstag knapp 200 E-Mails von Betroffenen erhalten und unzählige Telefonate geführt. Das macht einem schon Angst. Die Leute wollen wissen, wie es weitergeht. Das ist aber eine Frage, die auch ich nicht beantworten kann, weil keiner weiß, wie lange dieser Zustand anhält. Zu lange darf es auf jeden Fall nicht dauern, sonst werden viele Betriebe das nicht überleben.
Kann das Land denn schnell helfen?
Ja, deswegen war der Donnerstag im Landtag so wichtig. Wir haben beschlossen, dass die Coronakrise als Naturkatastrophe angesehen wird, was uns in die Lage versetzt hat, einen Kredit über fünf Milliarden Euro aufzunehmen. Dieses Geld soll möglichst vielen kleinen Betrieben, Selbstständigen und Freischaffenden helfen, ihre Tätigkeit am Leben zu erhalten. Das sind Zuschüsse, die das Land gibt, die nicht zurückgefordert werden.
Die große Sorge vieler Firmen ist, dass das Geld nicht schnell genug fließt und nur mit großem bürokratischem Aufwand beantragt werden kann.
Das stimmt. Deswegen geht es jetzt um Schnelligkeit. Die Bedingungen für den Härtefallfonds – das sind diese fünf Milliarden Euro – sollen nächste Woche bekannt gegeben und auch beantragt werden können. Bayern hat das bei sich zum Beispiel bereits gut hinbekommen. Dort besteht der Antrag nur aus zwei DIN-A4-Seiten mit Ankreuzfragen. So sollte das bei uns auch sein. Meine Sorge ist eher, dass es einen Flaschenhals bei den Stellen gibt, die die Anträge bearbeiten müssen, weil sie auf diese Menge nicht vorbereitet sind und es natürlich auch dort Krankheitsausfälle gibt. Aber jetzt ist nicht die Zeit der langwierigen Prüfungen und vieler Formulare – auch auf die Gefahr hin, dass das eine oder andere irgendwo versickert. Es geht wirklich darum, schnell zu sein, denn die Kosten laufen weiter, aber die Einnahmen sind weg.
Können Sie die Unternehmen bei den Anträgen beraten oder unterstützen?
Ich versuche, das proaktiv bereits zu machen. Ich habe über die Kreishandwerkerschaft alle Betriebe angeschrieben und hatte auch schon Kontakt mit Gastronomen. Bei Finanzierungen sollten die jeweiligen Hausbanken über die notwendigen Schritte Bescheid wissen. Ich selbst habe auf meiner Internetseite (www.doerflinger-biberach.de) einen eigenen Bereich eingerichtet, in dem man viele nützliche Links zu diesem Thema findet. Des Weiteren werde ich auch entsprechende Mails an Firmen und Selbstständige verschicken.
Wie haben Sie selbst die vergangenen Tage erlebt?
Mein Terminkalender besteht inzwischen nur noch aus Telefonaten und Videokonferenzen. Auch mein Team ist im Homeoffice. Das Arbeitsaufkommen hat dramatisch zugenommen und es gab bisher keinen Tag, an dem ich den Laptop vor Mitternacht ausgeschaltet habe. Ich merke aber auch, dass manche, die jetzt zu Hause sind, sich zum Teil unvorsichtig verhalten und sich nicht an die beschlossenen Maßnahmen halten. Über Dinge wie „Corona-Partys“ kann ich nur den Kopf schütteln.
Was sagen Sie denen, die immer noch unvernünftig sind?
Im Prinzip zweierlei: Wenn das Virus jetzt nicht eingedämmt wird, bekommen wir im medizinischen Bereich einen Engpass, der zu sehr großen Problemen führen wird. Das Virus darf uns auch nicht über Monate beschäftigen, weil sonst unsere Wirtschaft einen riesigen Schaden davonträgt.
Es wird ja derzeit viel über das Thema Ausgangssperre diskutiert. Bayern und das Saarland sind da jetzt vorangegangen. Baden-Württemberg hat ja nun auch nachgelegt – reicht das?
Die Gesundheit vieler älterer und vorbelasteter Menschen muss uns dieser harte Einschnitt wert sein. Ja, die Entscheidung der Landesregierung geht weit und ist ein sehr starker Eingriff. Dennoch ist er richtig, ich hätte ihn mir auch schon früher gewünscht. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass ich eine generelle Ausgangssperre favorisiere. Die gegebenen Umstände erfordern drastische Maßnahmen. Deshalb besser jetzt den harten Schnitt, den übrigens auch die Wirtschaft eher vertragen kann, als eine monatelange Hängepartie.