„Ein zweiter Lockdown würde uns nur schaden" - 26.8.20
Thomas Dörflinger: Weg nach der Sommerpause ist offen
Land und Bund haben in den vergangenen Wochen Corona- Hilfspakete für Kommunen und Unternehmen auf den Weg gebracht, mit ihren Entscheidungen gleichzeitig tief in das Leben der Bürger eingegriffen. Im Sommerinterview mit dem Südfinder erklärt Thomas Dörflinger, Landtags- abgeordneter (CDU) für den Wahlkreis Biberach, wie die Stimmung bei den Unternehmen ist, was er von staatlichen Hilfen hält und welche Pläne die Landesregierung nun hat.
VON MARKUS FALK
■ Wie stehen Sie zu einem erneuten Lockdown? Würde er Menschenleben schützen oder unsere Wirtschaft nur unnötig gefährden?
Es ist unbestritten, dass wir einen zweiten bundesweiten Lockdown unbedingt verhindern müssen. Er würde uns nur schaden. Einerseits wären die Auswirkungen auf viele Teile unserer Wirtschaft, die teilweise sehr angeschlagen ist, dramatisch. Denn auch die Mittel des Staates sind begrenzt. Wir müssen einen erneuten Lock- down aber auch verhindern, um soziale Kontakte für unsere Pflegebedürftigen aufrechtzuerhalten, ebenso im Hinblick auf unsere Kindergärten und Schulen. Unter dem ethischen Ansatz und der Frage, was das Leben wert ist, müssen wir die jüngeren als auch die älteren Menschen schützen. Ein erneuter Lockdown ist übrigens nicht zwingend. Jeder hat das selbst in der Hand und muss die Regeln einhalten.
■ Besteht nicht ein Widerspruch zwischen Gesundheitsschutz und Sicherung des Wohlstands?
Ich sehe da keinen Widerspruch, das wäre auch zu sehr Schwarz-Weiß-Malerei. Denn Wachstum und Wohl- stand sind auch für unsere Gesundheitsversorgung unverzichtbar. Wir sollten deshalb beides nicht gegeneinander ausspielen.
■ Wie schätzen Sie die Lage bei Unternehmen im Raum Biberach ein? Ist die Verunsicherung nach wie vor groß oder gibt es Zeichen von Optimismus?
Die Wirtschaft im Raum Biberach ist vielfältig, wobei sich beispielhaft der Veranstaltungsbereich, Reisebüros und der Textilhandel in einer schwierigen Phase befinden. In Gesprächen stelle ich aber bei vielen Betrieben eine optimistischere Haltung fest. Wahr ist aber auch,dass dieser Optimismus auf dünnem Eis steht. Des- halb müssen Land und Bund weiterhin unterstützen. Die Wirtschaftsministerin (Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Anm. d. Redaktion) will zum Beispiel für den Textileinzelhandel Hilfen anbieten.
■ Wie stehen Sie zu staatlichen Hilfen für Unternehmen in diesen Zeiten, wie zum Beispiel die Verlängerung des Kurzarbeitergelds?
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich der Staat so wenig wie möglich in die Wirtschaft einmischen sollte. In dieser besonderen Situation sind Hilfen aber dringend notwendig. Es ist unerlässlich, dass der Staat jetzt die Wirtschaft stützt. Ich halte zwei Bausteine für nötig, um das zu schaffen: Wir benötigen einerseits einen Rettungsschirm, um die schwierige Phase zu überstehen. Es dürfen nicht ganze Strukturen zerstört werden. Im zweiten Schritt gilt es, die Konjunktur anzuheizen. Das muss einerseits über die Angebotsseite geschehen, zum anderen aber auch über die Stimulierung der Nachfrage. Gleichzeitig ist jetzt auch der Zeitpunkt gekommen, zu überlegen, wie Unternehmen mit weniger Bürokratie ihrem Zweck nachkommen können. Diese Erkenntnisse können wir dann auch für die Zeit nach der Pandemie nutzen.
■ Gibt es aus Stuttgart Anzeichen, dass durch die Pandemie etwa Förderungen im kulturellen Bereich künftig zurückgefahren werden?
Von solchen Plänen weiß ich bisher nichts, ganz im Gegenteil. Gerade im Zuge der Pandemie wurden von der Landesregierung viele Förderprogramme aufgelegt, unter anderem das Impulsprogramm „Kunst trotz Abstand“, sowie ein Hilfsprogramm für Vereine der Breitenkultur. Trotzdem kann man jetzt noch nicht sagen, was eventuell auf uns zukommt. Im Herbst wird nach der Steuerschätzung neu entschieden. Ich kann nur sagen, dass der Land- tag für 2020/2021 einen Doppelhaushalt verabschiedet hat, der einen Schuldenabbau vorsah. Stattdessen mussten wir nun fünf Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen.
■ Was nehmen Sie persönlich bisher aus der Corona-Pandemie mit?
Zu Beginn des Lockdowns ist der Arbeitsumfang buchstäblich explodiert. An einem Spitzentag kamen über 250 Anfragen, die ich gemeinsam mit meinem Team an manchen Ta- gen bis Mitternacht beantwortet habe, um nach kurzer Nacht morgens gleich wieder ins Büro zu gehen. Und dennoch sehe ich meine Familie nun öfters als vorher. Zum einen fallen momentan fast alle Veranstaltungen am Wochenende aus, auf der anderen Seite bin ich durch das Homeoffice deutlich öfter daheim. Seit der Pandemie haben auch die positiven Rückmeldungen zu meiner Arbeit deutlich zugenommen. Schein- bar gibt es an uns Politiker nicht mehr nur eine Erwartungshaltung, es fällt auch mehr Lob ab. Das gibt Kraft für die weitere Arbeit.