Der ländliche Standort: Fluch und Segen - 1.2.18

Landtagsabgeordneter Thomas Dörflinger besuchte Firmen Reck und May in Betzenweiler

Firmenbesichtigung in der Firma Reck: Andreas Reck (links) und Christine Reck zeigen dem Landtagsabgeordneten Thomas Dörflinger das Unternehmen Reck in Betzenweiler.

Von Berthold Reuß

Betzenweiler - "Der wichtigste Standort-Faktor sind die Unternehmer selbst", betonte der künftige Bürgermeister der Gemeinde Betzenweiler, Tobias Wäscher, bei einem Besuch des Landtagsabgeordneten Thomas Dörflinger. Der hatte zuvor die Firmen Reck und May besichtigt - zwei Unternehmen, die ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem Standort gemacht haben.

Ganz im Gegensatz zur ländlichen Umgebung präsentiert sich die Firma Reck mit einem hochmodernen vierstöckigen Gebäude. Nicht umsonst leitet die Geschäftsführende Gesellschafterin Christine Reck quasi im Nebenerwerb auch noch ein Architekturbüro in Biberach. Funktionale Möbel mit Trennelementen unterteilen die großzügigen Räumlichkeiten auf einer Fläche von über 20 000 Quadratmetern, die mit Erdwärme beheizt sind. Riesige Fenster erhellen nicht nur den Raum, sie holen die Landschaft gewissermaßen an die Arbeitsplätze. Konzentration, Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit, so die Firmenphilosophie, sollen so gesteigert werden.

"Arbeiten, wo andere Urlaub machen", mit diesem Slogan wirbt auch Reck um Arbeitskräfte. Offenbar erfolgreich - mit 260 Beschäftigten ist man der größte Arbeitgeber am Ort. 1957 zur Entwicklung und Produktion von Korntanks gegründet, macht die Sparte Agrartechnik mit Rührwerken und Siloverteilern heute nur noch 30 Prozent aus. 70 Prozent des Geschäfts entfallen auf die Sparte Medizintechnik: Reck ist Branchenführer im Bereich der motorbetriebenen Bewegungstherapie. Die Geräte werden beispielsweise bei neurologischen Erkrankungen eingesetzt. Auch der bei "Wetten dass ...?" verunglückte Kandidat Samuel Koch verwendet die "Motomed"-Therapiegeräte aus Betzenweiler. 50 Prozent des Umsatzes geht in den Export; Reck ist in 128 Ländern weltweit aktiv.

Klaus-Peter May (links) erläutert Bürgermeister Dietmar Rehm die Produktion von Premiumschirmen am Standort Betzenweiler. Fotos: Berthold Ruess

Nebenan, bei der Firma May, hadert man indes etwas mit dem Standort. Auch May ist ein Global Player, liefert seine Sonnenschirme weltweit, erst jüngst nach Sugar Island in der Karibik. Abnehmer sind hauptsächlich die Gastronomie und große Ketten; der kleinste Schirm misst eineinhalb auf eineinhalb Meter, das Flaggschiff "Albatros" sieben mal acht Meter oder - bei der Rundform - zehn Meter im Durchmesser. Erneut ein zweistelliges Wachstum habe die Firma mit 143 Beschäftigten im vorigen Jahr verzeichnet, berichtete Geschäftsführer Klaus-Peter May, zuständig für den Vertrieb. Man habe eine kritische Formengröße erreicht. Seit dem Übergang zur Just-in-Time-Fertigung müsse man flexibler sein, wofür auch qualifiziertes Personal benötigt werde. Das sei in Betzenweiler aber nur schwer zu bekommen: "Wir suchen dringend Konstrukteure". Das Problem: "Große Biberacher Firmen wie Liebherr, Boehringer und Handtmann greifen den kleinen Firmen Personal ab." Von einer Ingenieur- und Absolventenschwemme sei in Betzenweiler nichts zu spüren. Es fehle die Autobahnanbindung Richtung Ulm. Dort sei der nächste Hochschulstandort für Maschinenbau. "Die kommen nicht mehr zurück", bedauert Mitgesellschafter Karl-Heinz May. Und der Personalmarkt sei derzeit "überhitzt". May suche mittlerweile Fachkräfte auch in Italien oder Rumänien.

Zumindest für die geplante bauliche Erweiterung hat May einen Standortvorteil. Für eine weitere Halle gibt es genügend Fläche. Zur Ausweisung weiterer Gewerbeflächen versagte das Regierungspräsidium (RP) allerdings zunächst seine Zustimmung. Nach einem Vor-Ort-Termin eines RP-Mitarbeiters kann May jetzt verkünden: "Die nächste Halle wird gebaut." Und zwar in Betzenweiler.

Copyright Schwäbische Zeitung, Ausgabe Riedlingen - 1.2.2018

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